Donnerstag, 16. August 2018

Ist „Adlig Sein“ heute noch erstrebenswert?

In früheren Jahrhunderten mag für den Snob die Anlehnung an den Adel eine Rolle gespielt haben, jedoch ist dieser entweder in den Wirren der Republik untergegangen oder hat auch so seine Vorbildfunktion weitgehend eingebüßt, wie man z.B. selbst in Großbritannien sehen kann. Die Proletarisierung der Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat dann die Vulgärkultur der Unterklasse endgültig zum Leitbild erhoben, ohne dass brauchbare Vorbilder an die Stelle des Adels getreten wären. Dessen Vorbildfunktion war allerdings auch vorher schon umstritten, weil er irgendwann aufgehört hat nach dem Höheren zu streben und sich nur noch der Selbstgefälligkeit hingegeben hat. Folglich ist die Zugehörigkeit zum Adel schon deswegen nicht erstrebenswert.
Des weiteren wird immer wieder vergessen, dass es auch innerhalb des Adels Abstufungen gibt. Ein einfaches „von“ vor dem Familiennamen weist den Träger gewöhnlich als Angehöri­gen des niederen Briefadels aus, der rangmäßig immer noch weit unter dem Hochadel (ehe­mals regierende Häuser) oder gar dem Uradel (adlig seit vor 1350, einige Quellen geben 1400 an) steht. Den genauen Stand einer Adelsfamilie erfährt man durch einen Blick in das Genea­logische Handbuch des Adels (früher „Gotha“). Die Zugehörigkeit zum Hoch- oder Uradel bleibt einem „Aufsteiger“ jedoch automatisch verwehrt, denn diese kann nun mal nicht verlie­hen werden. Als Angehöriger des niederen Briefadels mag man als Ex-Bürgerlicher zwar in der Hierarchie eine Stufe emporgeklettert sein, aber man steht nun innerhalb des Adels auf einer niedrigen Stufe, auf der man vom höheren Adel eher merkwürdig angesehen wird. Das sollte sich ein Snob nicht antun, zumal er es als solcher nicht nötig hat. Ein System welches dem Snob den ihm gebührenden Rang verweigert, sollte ein wahrer Snob einfach mit Miss­achtung strafen.
Darüber hinaus ist es gar nicht so bedeutungsvoll einen adligen Namen oder Titel zu führen, wenn man bedenkt, dass die meisten dieser Namensträger im Exil leben, zumindest aber ihren Besitz und ihre Vorrechte eingebüßt haben. Nicht wenige von ihnen finanzieren ihren Lebens­unterhalt mehr oder weniger durch den „Verkauf“ ihres Adelsnamens mittels Adoption oder Heirat und oft verdingen sie sich als „Aushängeschild“ zu Werbezwecken, z.B. als Betreiber „exklusiver“ Versandhäuser oder Luxushotels die irgendeinem Investmentfond gehören. Adop­tionen unter Erwachsenen werden heutzutage von den Behörden so gut wie nicht mehr aner­kannt. Folglich ist die Heirat mit einer Person die diesen Namen bereits trägt die einzige Mög­lichkeit an einen adligen Namen zu gelangen. Einem „gekauften“ Adelstitel haftet jedoch immer der kommerzielle Nimbus an. So was hat ein Snob nicht nötig.
Stattdessen sollte der Snob für einen Eintrag seiner (bürgerlichen) Familie im Deutschen Ge­schlechterbuch sorgen. Schließlich ist man ja nicht irgendwer! Es gilt für den bürgerlichen Snob: Nichts ist edler als mit den eigenen Familienwerten die Umwelt zu überzeugen. Haupt­sache, man wird erkannt!
Gegen den lehrmäßigen Erwerb eines akademischen Grades ist im übrigen nichts einzuwen­den. Diese dürfen in der BRD allerdings nur geführt werden, wenn sie im Ausweis eingetra­gen sind. Um einen akademischen Grad einer ausländischen Universität im Ausweis eintragen zu lassen, muss eventuell nachgewiesen werden, dass dieser unter lehrmäßigen Bedingungen erworben wurde. Akademische Grade bei denen das nicht der Fall ist, können auch später noch aberkannt werden (gilt auch für deutsche Grade), was natürlich eine Peinlichkeit dar­stellt. Dieser sollte ein Snob sich auf keinen Fall aussetzen.

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