Sonntag, 4. März 2018

Von Hoflieferanten und Gütesiegeln

Ein „Hoflieferant“ ist ein Un­ter­­neh­men, das besondere Privilegien für die Zulieferungen von Waren und das Anbieten von Diensten an ei­nen herrschaftlichen Hof genießt. Die Vergabekriterien für den Titel „Hoflieferant“ (oder „Kam­mer­­lie­fe­rant“ wenn ein bestimmtes Mitglied der Herrscherfamilie be­liefert wird) sind von Land zu Land un­ter­schied­lich. Hoflieferanten existieren in Belgien, den Nie­der­lan­den, Luxemburg, Großbritannien, Dänemark und Schweden. In ehemaligen Monarchien, wie z.B. Deutschland oder Österreich, gibt es oft noch ehemalige Hoflieferanten. In Wien haben sich diese sogar in einer Vereinigung zusammengeschlossen.
Der Kunde eines Hoflieferanten kann sicher sein ein hochwertiges Qualitätsprodukt zu erwerben, denn der Monarch fungiert gewissermaßen als „Produkttester“. Ein Hoflieferant wird es nicht wa­gen aus­schließ­lich Schund zu verkaufen, weil er damit un­zwei­fel­haft seinen Titel gefährden würde. Ge­legentliche Fehler schließt das natürlich nicht aus. Damit enden allerdings auch schon die Vor­teile, die ein Snob aus einem Einkauf bei einem Hoflieferanten ziehen kann.
Nachteilig ist, dass der Status „Hoflieferant“ eigentlich nur die Präferenz des Monarchen wider­spie­gelt (beim „Kammerlieferanten“ tritt das noch deutlicher zutage), bestenfalls noch die Staatsräson. Ein Produkt, das dem Monarchen gefällt, muss dem Snob aber noch lange nicht gefallen. Auch be­deu­tet das nicht, dass die Produkte anderer Lieferanten schlechter wären, nur weil der Monarch dort nicht einkauft. Schließlich wechselt auch ein Monarch hin und wieder die Lieferanten und oft hat der Wechsel nichts mit der Produktqualität zu tun. Dass z.B. das Londoner Kaufhaus Harrod's sei­ne Ro­yal Warrants verloren hat, lag gemäß unbestätigter Berichte vor allem daran, dass der Sohn des (da­maligen) Inhabers ein Ver­hält­nis mit der Ex-Ehefrau des Thronfolgers eingegangen ist. Und der Firma Rigby & Peller wurde zu Beginn des Jahres 2018 der Royal Warrant entzogen, weil die Fir­men­mit­in­ha­be­rin in einem Buch allzu genaue In­for­ma­tio­nen über den Verlauf der kö­nig­lichen Anproben im Bucking­ham Pa­last preisgegeben hat.
Weiterhin sollte man mit dem Titel „Hoflieferant“ nicht allzu viel Exklusivität verbinden. Nicht je­de Firma stellt ein wirklich exklusives Produkt her, auch wenn die Qualität durchaus stimmen mag. Als Bei­spiele seien die dänische Brauerei Carlsberg oder der niederländische Käsehersteller Cono, der den Beem­sterkaas produziert, genannt. In der Aufstellung der britischen Hoflieferanten findet sich der quali­ta­tiv hochwertige aber wenig exklusive, koreanische Elektronikhersteller Samsung und in Schweden steht sogar Ikea auf der königlichen Liste. Nur mit Mühe kann man sich da die Frage ver­kneifen, wie es wohl im königlichen Schloss aussehen mag. Und für den Snob heißt das natür­lich nicht, dass er sich nun die Wohnung mit derlei Massenmöbeln einrichten sollte, die zumal doch hin und wieder Zweifel an der Qualität aufkommen lassen. Letztendlich muss ein Snob also auch einen Hoflieferanten der Prüfung mit dem Snob-Kriterium der Exklusivität unterziehen. Das kann dann allerdings auch ergeben, dass ein Hersteller, der früher einst exklusiv war, durch den neu er­lang­ten Status als Hoflieferant derart bekannt geworden ist, dass man nun von Exklusivität nicht mehr spre­chen kann. Für den Snob kann das sogar bedeuten, dass es Zeit ist den Lieferanten zu wech­seln.
Was für Hof- und Kammerlieferanten gilt, lässt sich im weitesten Sinne auch auf die „Staatliche Aus­zeichnung“ der Republik Österreich anwenden (staatswappen.at). Der Tradition der Hof- und Kam­merlieferanten und des „k.k. privilegiert“-Sta­tus fol­gend, hat man nach dem Zerfall der Öster­rei­chisch-Ungarischen Donaumonarchie in der Repu­blik Öster­reich die „Staatliche Aus­zeichnung“ eingeführt. Rechtsgrundlage sind § 68 GewO und § 30a BAG (nur für Aus­bildungs­be­trie­be). Ver­ga­be­stel­le ist das österreichische Bundesministerium für Wirt­schaft, wenn das betreffende Un­ter­neh­men „sich durch außergewöhnliche Leistungen um die öster­rei­chi­sche Wirt­schaft Ver­dien­ste er­wor­ben hat“, einen entsprechenden Antrag gestellt und alle Gebühren be­zahlt hat. Da­für darf das Unter­neh­men dann im ge­schäftlichen Verkehr das österreichische Bundes­wap­pen mit einen Hinweis auf die Auszeichnung führen. Für den Snob sind die meisten derart aus­ge­zeich­ne­ten Firmen nicht zu ge­brau­chen, denn entweder stellen sie nichts her was ein Snob benötigt oder bei den her­gestellten Pro­duk­ten handelt es sich um wenig exklusive Mas­sen­ware. Problematisch ist überdies, dass die Fir­men sich um die Auszeichnung be­wer­ben müssen und nicht - wie bei Hof- und Kam­mer­lie­fe­ran­ten üblich – durch eine hochgestellte Person aus­gewählt werden.
Neben den staatlichen Gütesiegeln existieren noch zahlreiche weitere Qualitätsprädikate für Wirt­schafts­unternehmen und ihre Produkte. Recht bekannt ist die Zertifizierung nach ISO-Normen, wo­bei die geläufigste Norm wohl die ISO 9000 sein dürfte. Leider beziehen sich praktisch alle ISO-Normen auf den Pro­duk­tionsprozess und sagen nichts über die Qualität des Endproduktes aus. Man könnte auch ir­gend­ein Billigprodukt gemäß den Normen z.B. der ISO 9000 herstellen. Ansonsten existieren allein auf dem deutschen Markt über 1.000 verschiedene Kennzeichen, die die Qualität eines Pro­duk­tes hervor­heben sollen. Grundsätzlich kann nämlich jeder ein Prüf- oder Gütesiegel kre­ieren; es gibt dazu kei­ne gesetzlichen Regelungen. Vielfach haben sich Hersteller und Anbieter einer be­stimm­ten Pro­duk­tart in einer sog. Gütegemeinschaft zusammengeschlossen, um ein pro­dukt­be­zo­ge­nes Güte-Zer­ti­fikat zu schaffen. Es haben sich auch bereichsübergreifende Institutionen etabliert, die sich vor­ran­gig mit der Organisation, Verwaltung und Vergabe von Prüf- oder Gü­te­sie­geln be­fas­sen. Einige - wie der TÜV – wurden mit der Zeit staatlich privilegiert. Nicht selten stellen sich aber Her­steller selbst ein Gütesiegel für eigene Produkte aus. Be­son­ders be­liebt sind dabei sol­che, die auf eine um­welt­ver­trägliche Herstellung oder sog. Bio-Qualität hin­weisen. Für den Snob be­sitzen Gütesiegel folg­lich keinerlei Informationsgehalt.

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