Die vornehme Welt ist im Niedergang
begriffen. Für Snobs ist diese Erkenntnis nicht neu. Die Liste der
gehobenen Dinge die in den letzten zwei Jahrzehnten verschwunden sind
oder ihren Sinn verändert haben wird jedoch immer länger. Der
aktuelle Stand (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Luxuszüge (der TEE war der
letzte seiner Art),
Gepäckträger (findet
man nur noch sehr selten),
die Concorde (die letzte Maschine ist
unrühmlich abgestürzt),
Bordservice im Flugzeug
(kostet jetzt extra),
Wildfang-Kaviar (Artenschutz),
Kapitänsdîner auf Kreuzfahrten
(einfach abgeschafft),
Spielcasinos (heute nur noch
Schutzzone für Spielsüchtige),
Haute Cuisine (Schicki-Micki-Bühne mit
frustrierten Sterne-Köchen),
Côte d`Azur (Tummelplatz für
Billigtouristen),
St. Moritz (dem Bauboom
anheimgefallen).
Halten konnte sich bisher die Erste
Klasse in der Eisenbahn, aber auch ihr scheint es jetzt an den Kragen
zu gehen: Seit März 2017 konnten Kondukteure der Schweizerischen
Bundesbahnen testhalber ihren Passagieren während der
Fahrt ein Upgrade in die 1. Klasse für nur fünf Franken offerieren.
Das Angebot gab es nur beim Zugpersonal, sie entschieden in
Eigenregie, ob und wann das Billig-Upgrade offeriert wurde. Seit
November 2017 gilt das Angebot nun definitiv für alle
Fernverkehrszüge. Die SBB wollen damit neue Kunden für ihre 1.
Klasse begeistern, insbesondere dann, wenn die 2. Klasse vollbesetzt
ist. Allerdings braucht man jetzt aber ein Halbtax-Abonnement,
um in den Genuss des Upgrades zu kommen; zudem wird es auf Reisen die
länger als 30 Minuten dauern mit 10 Franken deutlich teurer. Trotz
dieser Einschränkungen bleibt aber die Befürchtung, dass bald
jeder Hinz und Kunz die Erste Klasse der SBB betreten darf.
Bei anderen Bahngesellschaften
zeichnen sich leider ähnlich gefährliche Tendenzen ab. Bei der
Deutschen Bahn denkt man über fahrende Schönheitssalons nach,
alldieweil in Frankreich die Zahl der TGV-Haltestellen und das
chronische Einnahmedefizit des Hochgeschwindigkeitsverkehrs
reduziert werden sollen. Dem Snob bleibt da auf lange Sicht wohl
nur der Umstieg auf andere Verkehrsmittel.
Bei exklusiven Speisen und
Genussmitteln kommt ein ähnlich düsterer Trend auf. Trüffeln
konnten bis dato ihre Einzigartigkeit bewahren, aber Austern werden
allmählich zum Grundnahrungsmittel, dass man
mittlerweile schon im Discounter kaufen kann. Bedenklich ist vor
allem die Entwicklung bei Kaviar: Wildfang-Kaviar fällt schon seit
Jahren unter das Artenschutzabkommen und die Qualität von
Zucht-Kaviar ist in den letzten Jahren glücklicherweise besser
geworden, aber was das Manager Magazin (Online-Ausgabe
vom 19.12.2017) schreibt, schreckt auf. In dieser Zeitschrift wird
allen Ernstes die These aufgestellt, dass Kaviar zu einem
Massenprodukt werden könnte! Umschrieben wird das mit
Formulierungen wie „den Kaviar aus seinem "Luxusghetto"
holen“ oder „Bis 2020 wird es weltweit 600 Tonnen Kaviar
geben, so wird er als komplexes und aromatisches Lebensmittel für
viele Genießer verfügbar". Auch wird propagiert, dass man
zu Kaviar Bier trinken sollte, anstatt Champagner (wobei ein wahrer
Kenner sowieso Wodka zum Kaviar reicht).
Und die gehobene Gastronomie hat es
dieser Tage erst recht schwer. Ein gutes Gourmetrestaurant auch
profitabel zu führen wird geradezu unmöglich, wenn bei einer
Gewinnmarge von 5% nur 10% der Gäste eine Reservierung stornieren.
Selbiges passiert in Nobelrestaurants leider öfter, als deren
Betreibern lieb ist. Aufsehen erregt hat im Jahre 2017 auch der Fall
des Chefkochs des Drei-Sterne-Gourmetrestaurants Le Suquet
in Laguiole (Auvergne), der kein Sterne-Koch mehr sein will. Der
damit verbundene Druck wird ihm zu groß und er hat um die
Streichung aus dem bekannten Gastronomieführer Guide
Michelin gebeten. Die Vernetzung der Spitzenköche untereinander
führt darüber hinaus immer häufiger dazu, dass sich die
Kreationen alle irgendwie ähneln und man gelegentlich die
Speisekarten zweier Renommierlokale kaum auseinander
halten kann. Und auch die sog. Weinbegleitung,
bei welcher zu jedem Gang ein eigener Wein serviert wird und der
Blick in die Weinkarte daher überflüssig wird, leistet ihren
Beitrag zum Niedergang des gehobenen Speisens, denn spätestens
nach dem vierten Gang erinnert sich niemand mehr an den Wein zum
ersten Gang. Gibt es zwischendurch dann noch einen Likör oder
Schnaps und vorneweg natürlich einen Aperitif, dann herrscht ein
alkoholisches Durcheinander wie auf einer Oberstufenparty. Dem
Snob bleibt da nur der Gang an die Pommesbude.
Die nächste Baustelle eröffnet sich
im Bereich Snob und Tourismus. Viele einstmals edle Reiseziele
werden heute von Pauschaltouristen überrannt. Das gilt nicht
nur für Orte wie Venedig, das mit jährlich 25 Mio. Besuchern
zu kämpfen hat, sondern auch für St. Moritz oder die Côte d`Azur,
deren Niedergang sich erst seit kurzem abzeichnet. Von anderen,
ehemals edlen Zielen wie der Toskana, die heute nur noch
mit billigen Motels übersät ist, sollte man besser gar nicht erst
sprechen. Neuerdings gibt es dafür sogar ein eigenes Wort:
Overtourism. Nach Venedig trifft es jetzt aber auch weitere
europäische Metropolen, u.a. Paris und Brüssel. Seit diese beiden
Städte - als Folge einer über Jahrzehnte verfehlten
Zuwanderungspolitik - gegen den „Terror“ kämpfen, ist es
dort derart ungemütlich geworden, dass nicht nur ein
Snob diese Reiseziele lieber meiden sollte, sofern er nicht eine
besondere Neigung zu einer von Paranoia und behördlichem
Überwachungswahn geprägten Atmosphäre hegt. Selbige ist
nämlich deutlich schlimmer, als irgendeine terroristische
Bedrohung. Gelegentliche Jubelmeldungen über angeblich
verhinderte Anschläge verlieren ohnehin an Kraft, wenn man sich
gewahr macht, dass fast alle bisher verübten Terroranschläge von
behördlich bekannten Tätern begangen wurden oder die
mehr als mysteriösen Tatumstände und ihre mangelhafte Aufklärung
(„Je suis manipulé“) auf eine Verwicklung der
Geheimdienste hindeuten. Wer aber glaubt, dass es nur in
Frankreich oder Belgien schlimm ist, der schaut überrascht auf eine
Meldung aus Rotterdam: Dort konfisziert die Polizei jetzt
Designerkleidung, Schuhe und Uhren von Jugendlichen, wenn
sie der Meinung ist, dass der Träger sich diese eigentlich gar nicht
leisten kann. Als jugendlicher Besucher der Stadt an der
Rheinmündung sollte man folglich nur noch alte Kleidung
anziehen, um nicht Gefahr zu laufen von der Polizei auf offener
Straße entkleidet zu werden. Und generell fragt man sich: Warum
sollte ein Snob diese verlogenen Spiele mitspielen?
Zum Glück haben auch Maastricht, Genf
und Kopenhagen Snobs einiges zu bieten. Hoffentlich bleibt das so.
Selbst Göteborg wäre snobtauglich, sofern man sich nicht daran
stört, dass man in Schweden für Sex seit neuesten eine behördlich
anerkannte Einverständniserklärung des
Sexualpartners braucht. Und Sex ohne Kondom ist in Schweden
schon seit längerem praktisch illegal, was en passant die
schrumpfende Geburtenrate erklärt. Nebenbei bemerkt eröffnet
beides allerdings auch die Tür zum Missbrauch, denn wie will man
beweisen, dass sexuelle Kontakte einvernehmlich waren oder
überhaupt nicht stattgefunden haben? Soll man
vielleicht jedes Mal vorher ein Formular unterschreiben? Aber mit
etwas Umsicht kann ein Snob diese Klippe umschiffen.
Dennoch stellt sich die Frage, ob man
überhaupt in Länder reisen sollte, in denen der Kampf gegen den
Terror, die Kriminalität oder gegen Gott-weiß-was allmählich zum
Kampf gegen den Bürger mutiert. Das gilt noch mehr für
(ehemalige) Kolonialgebiete wie die USA, deren schikanöse
Einreisekontrollen inzwischen sogar die
gutmütigsten Zeitgenossen abschrecken, und die u.a. mit Kanada
und Australien immer mehr Nachahmer finden.
Leider verlieren auch Kreuzfahrten
immer mehr an Attraktivität, werden diese doch immer mehr zu
Massenveranstaltungen mit bis zu oder sogar mehr als 6000 Reisenden
pro Schiff. Damit haben Kreuzfahrten ihren ursprünglichen Sinn
(sehen und gesehen werden) vollends verloren. Dass sie auch noch
teuer sind, macht die Sache nicht besser.
Es macht also Sinn seine Aktivitäten
auf die Regionen zu beschränken, die (noch) nicht der
überbordenden Paranoia der obengenannten Länder
anheim gefallen sind. Selbst in Osteuropa finden sich Gegenden, die
auch für einen Snob geeignet sind, wie z.B. Ungarn mit seiner
ausgedehnten Bäderkultur, und lange Spaziergänge in den
rumänischen Karpaten haben auch ihren Reiz. Praktischerweise
sind Ungarn und Rumänien auch noch mittels Nachtzügen zu erreichen,
sodass man nicht fliegen muss. Auch gibt es in beiden Ländern
hervorragenden, einheimischen Schaumwein und die lokale Küche ist
durchweg bodenständig und authentisch. Mit etwas Glück findet man
vielleicht sogar einen guten Barbier. Ein kleines Reiseteeset,
eine Packung Darjeeling oder Chá Gorreana und einen elektrischen
Wasserkocher kann man ja sicherheitshalber im Gepäck
haben (Steckdosen und Stromspannung sind kompatibel).
Schaut man auf gehobene Dinge, die aus
dem Snob-Leben verschwunden sind, dann stellt sich die Frage, ob es
auch gehobene Dinge gibt, die neu hinzugekommen sind. Diese gibt es,
aber es sind unverhältnismäßig wenige: Eigentlich nur die
Lounge an Flughäfen und Bahnhöfen, die aber auch keine neue
Erfindung ist, sondern gewissermaßen eine Neuauflage des Wartesaals
Erster Klasse. Und sie wird bereits von Yuppies, Neureichen und
anderen Wichtigtuern in Beschlag genommen. Das Lebens eines Snobs
wird dadurch nicht leichter.
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