Freitag, 20. September 2019

Portugals Büchertempel

Mittlerweile ist sie zu einer Touristenattraktion avanciert, die seit 1869 bestehende Buchhandlung Livraria Lello in der Rua das Carmelitas 144 im portugiesischen Porto (livrarialello.pt). Bis zu 5000 Besucher schrau­ben sich täglich durch den Laden und bezahlen dafür €3 Eintritt. Wirkt das Gebäude mit seiner neugotischen Fassade von 1904 auch ein wenig zwischen die Nachbarhäuser gequetscht, empfängt den Besucher im Inneren ein Traum des Jugendstils aus Schnitzereien und Intarsien. Bis unter die Decke reichen die Bücherregale an den Wänden und die Decke befindet sich im zweiten Stock! Dazwischen steht eine markante und mit Schnitzereien verzierte Freitreppe mit roten Stufen, die sich in verschiedenen Windungen in die Höhe schraubt. Darüber fällt das Tageslicht durch ein 8 mal 3.5 Meter großes und mit farbig bemalten Glasfenstern ausgestattetes Oberlicht in den Raum. An den oberen Wänden setzen hölzerne Emporen die Treppe fort, immer an der Wand entlang, und geben in der Mitte den Blick auf das Erdgeschoss frei. Von der Athmosphäre des Raumes gefangen, vergisst man schnell, dass es hier ja eigentlich um Bücher geht. Um so überraschter ist man, wenn man erfährt, dass die meisten Holzschnitzereien eigentlich aus bemaltem Gips bestehen.
Einige Kilometer südlich von Porto, in Coimbra, befindet sich die Universitätsbibliothek Biblio­teca Joanina. Hier gibt es Bücherregale die mit Blattgold verzierte Schnitzkunstwerke sind, über zwei Etagen bis unter die malereiverzierten Decken reichen und Platz für 300.000 Bücher aus dem 16. bis 18. Jahrhundert bieten. Daneben gibt es aber auch eher schlicht anmutende Holzregale, (denen eines bekannten schwedischen Möbelhauses nicht unähnlich, aber nichtsdestotrotz antik) in denen angestaubte Folianten vergangener Jahrhunderte in gewölbten Räumen stehen, die viel eher in ein abgeschiedenes Kloster passen würden, als in eine Universitätsbibliothek. Dafür sind diese Räume mit einer ganzjährigen Durchschnittstemperatur von etwa 19°C angenehm kühl, vor allem im Hochsommer.
Noch weiter südlich, in Óbidos, wurde ein Buchgeschäft in einer ehemaligen Kirche eingerichtet: Die Livraria Grande de Santiago. Moderne, im Halbkreis aufgestellte Regale schwingen durch den Raum und über zwei Stockwerke. Direkt vor dem was früher der Altar gewesen ist, befindet sich nun eine Sitzgruppe. Die Seitenwände der Apsis schmücken wiederum Bücherregale. Über­troffen wird die Atmosphäre in der ehemaligen Kirche nur noch vom örtlichen Gemüsemarkt, in welchem ebenfalls Bücher verkauft werden und wo selbige im Regal oft direkt neben Mineral­wasser, Wein, Essigflaschen oder Bienenhoniggläsern platziert sind. Selbst Autorenlesungen finden hier statt.
In Lissabon könnte man eventuell noch die Livraria Ler Devragar (Rua Rodrigues Faria 103, unweit des Hafens und der Brücke des 25. Aprils) besuchen; ein moderner Buchladen in einer früheren industriellen Textilwaren-Lagerhalle. Das Gebäude beherbergt auch noch Werbeagenturen, Designergeschäfte und Kunstgalerien. Sonntags verwandelt es sich in einen Markt, auf dem Antiquitäten und Handwerkszeug verkauft wird.
Beste Reisezeit für Portugals Büchertempel ist der Winter, wenn die Touristenmassen weg sind und man auch die Atlantikküste für sich alleine hat. Norwegian fliegt von Berlin nach Lissabon, außer­dem von Amsterdam, Prag und Budapest (in den meisten Tickets ist die Sitzplatzreservierung und gratis WLAN enthalten). Jet2.com fliegt via diverse britische Flughäfen nur nach Faro, ganz im Süden Portugals. Brussels Airlines fliegt ab Brüssel nach Porto (da der Flug zweieinhalb Stunden dauert, kann man an Bord u.a. belgische Pommes Frites bestellen). Nach Lissabon verkehrt auch ein Nachtzug ab Hendaye, an der französisch-spanischen Grenze, außerdem gibt es einen Nachtzug ab Madrid (mit Halt in Coimbra). U.a. ab Karlsruhe verkehren Fernbusse (teils ohne Umsteigen) nach Porto; die Fahrzeit liegt bei etwa 30 Stunden (iberocoach.com). Man könnte aber auch nur bis Hendaye fahren und dort den Nachtzug besteigen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.